Wein bei klassischer Musik reifen lassen

Kindern im Mutterleib zur Beruhigung Musik von Wolfgang Amadeus Mozart vorspielen? Oder Milchkühen Werke von Johann Sebastian Bach darbieten, um die Milchproduktion anzuregen? Für viele Laien fragliche, aber mittlerweile mancherorts dennoch gängige Praktiken. Doch die Reifung von erlesenen Weinen durch die Töne klassischer Musik anzuregen und zu optimieren ist wohl auch für Weinkenner hierzulande ein absolutes Novum. In dieser Form jedoch erst kürzlich praktiziert im deutschen Weinbaugebiet Saale-Unstrut.

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Wein bei klassischer Musik reifen lassen
© Szasz-Fabian Jozsef/www.shutterstock.com

In einem mit knapp 800 ha bestockter Fläche eher kleineren deutschen Weinbaugebiet werden nun die großen Töne klassischer Musik angeschlagen: Saale-Unstrut im Osten Deutschlands. Das Weinbaugebiet verläuft etwas westlich vom sächsischen Leipzig entlang der Flüsse Saale und Unstrut über die Landesgrenze von Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es ist das nördlichste der 13 deutschen Weinbaugebiete und bekannt für seine terrassierten Weinberge. Im beschaulichen, an der Unstrut gelegenen Städtchen Freyburg schlägt die Winzervereinigung nun neue, musikalische Wege ein.

Der Preisträger des Echo-Klassik Thomas Fritzsch gibt auf seiner Gambe – einem auch als Kniegeige bekannten historischen Streichinstrument – Werke von Georg Philipp Telemann zum Besten. Telemann zählte zu den Starkomponisten des Barocks, dessen Wirken bis in die heutige Zeit nachhallt. Seine Werke erfreuen sich unter Freunden der klassischen Musik weiterhin außerordentlich großer Beliebtheit. Fritzschs Zuhörer in Freyburg sind heute allerdings keine Musikfans, sondern rund 2.700 Liter Grauburgunder des Jahrgangs 2021 – gelagert in Fässern aus bestem Eichenholz. Die Weinfässer werden dabei jedoch nicht von außen beschallt.



Das Besondere an der Aktion ist die Installation eines speziellen Lautsprechers, der in dem Weinfass angebracht wurde und nun dauerhaft unter dem Flüssigkeitsspiegel liegt. Damit besteht der direkte Kontakt zum Wein. Inspiriert für die Aktion wurde Thomas Fritzsch, der seinen aktuellen Lebensmittelpunkt ebenfalls in Freyburg hat, dabei nach eigener Aussage von Aufnahmen eines japanischen Fotografen. Dieser habe Eiskristalle fotografiert, die sich unter Einfluss der Schwingungen der Töne in Form und Gestalt verändert hätten.

Die Experten vom Deutschen Weininstitut (DWI) in Bodenheim bei Mainz halten die Beschallung des Grauburgunders mit klassischen Klängen für einen spannenden Versuch. Rund um den Globus würden Weinbauern Musik im Weinberg oder im Keller einsetzen, um die Weinqualität zu steigern. Vielleicht könnte die Arbeit, der für die Gärung so wichtigen Hefezellen durch die Schwingungen angeregt werden.

Die Winzer aus Freyburg überlassen dabei nichts dem Zufall und wollen Veränderungen in Aromenprofil und Geschmack nicht auf jahrgangsbedingte Schwankungen zurückführen. Daher haben sie parallel ein weiteres Holzfass mit Grauburgunder, im Übrigen eine der bedeutendsten Weißweinsorten der Region, der Lese 2021 gefüllt. Dieses wird hingegen nicht mit den klassischen Klängen beschallt. Bei einer finalen Verkostung im April 2022 sollen beide Weine im Vergleich verkostet und eventuelle Unterschiede herausgearbeitet werden. Das Ergebnis wird von allen Beteiligten schon heute mit Spannung erwartet. Und einen Erfolg bringt die Aktion schon heute: Das Weinbaugebiet Unstrut-Saale ist wieder einmal in aller Munde.


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