Die Besonderheiten einer späten Weinlese

Der richtige Zeitpunkt für die Weinlese ist von besonderer Bedeutung. Verpasst man ihn, können die Mühen eines ganzen Jahres bei schlechter Witterung schnell vergebens gewesen sein. Die Kunst eines Winzers besteht darin, lange genug, aber nicht zu lange zu warten. Hierfür braucht es Geduld und viel Erfahrung. Eine ganz besondere Spezialität ist jedoch die Spätlese, deren Trauben – wie der Name bereits verrät – zu einem späteren Zeitpunkt geerntet werden. Den Besonderheiten einer späten Weinlese gehen wir im Folgenden nach.

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Schrumpelige Weintrauben am Rebstock
© pp1/www.shutterstock.com

Der Großteil der Weinlese erfolgt, wenn die Trauben einen passenden Reifegrad erreicht haben. Einige Winzer lassen jedoch einen Teil der Trauben am Stock, bis sie das Stadium der „Vollreife“ oder sogar der „Überreife“ erreicht haben. Dieses Vorgehen bringt hervorragende, edelsüße Weine besonderer Qualitäten hervor, birgt jedoch auch ein erhöhtes Risiko und kann sogar gänzlich misslingen.

Überreife Trauben

Ein Teil der Trauben kann nach Erreichen der Vollreife noch am Stock hängen bleiben. Dies gilt im Übrigen sowohl für weiße als auch rote Sorten. Durch das weitere Reifen werden Nährstoffe wie Zucker weiterhin in der Traube eingelagert und erhöhen somit das Mostgewicht. Gleichzeitig verlieren die Trauben in dieser Phase Wasser, was zur Konzentrierung der Inhaltsstoffe des Safts führt. Hier seien neben dem Zucker auch Säuren oder Polyphenole zu nennen. Dieses Aufkonzentrieren ist die Grundvoraussetzung und damit das Geheimnis edelsüßer Weine. Die Ursache für den Wasseraustritt liegt zum einen am Dünner werden der Beerenhaut bis hin zur Durchlässigkeit. Zum anderen führt ein Befall mit Botrytis-Pilzen zum Durchlöchern der Haut, da die Pilzsporen durch diese hindurch wachsen. Die Trauben werden durch den Wasserverlust in beiden Fällen schrumpelig und höchst unansehnlich.

Tipp: Den Zuckergehalt unserer Weine finden Sie in den jeweiligen Steckbriefen.

Klimatische Voraussetzungen

Solche Weine gelingen nicht in allen Regionen der Welt, da besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Prädestiniert sind Länder wie Deutschland, Österreich oder Ungarn. Auch in Teilen Frankreichs können solche Weine wachsen. Die bekanntesten Vertreter sind die französischen Sauternes und die ungarischen Tokajer. In Deutschland werden diese edelsüßen Weine als Beeren- oder Trockenbeerenauslese bezeichnet.
Der Botrytis-Pilz tritt nur unter bestimmten Bedingungen auf. Zunächst ist eine feuchte Luft am Morgen bis hin zur Nebelbildung notwendig. Dies kommt insbesondere in Flusstälern vor. In Deutschland seien an dieser Stelle exemplarisch die Täler von Rhein, Saar oder Mosel genannt. Am Nachmittag ist eine kräftige Herbstsonne notwendig, die durch die felsigen Hänge verstärkt wird. Das kräftige Abtrocknen des Wassers verhindert eine weitreichende Ausbreitung des Pilzbefalls bis hin zur Graufäule bei zu feuchten Bedingungen. Bei der Graufäule platzen die Beeren auf und der Extrakt wird durch den Regen ausgewaschen. Die Ernte ist in diesem Fall massiv beeinträchtigt.



Aromatische Ausprägungen

Wie bereits erläutert, verlieren die Trauben im überreifen Stadium auch ohne Botrytis-Befall Wasser durch Verdunstung. Dennoch reichen die Qualitäten dieser Weine oft nicht an solche mit Botrytis. Weine ohne Befall sind meist etwas weniger süß und haben einen höheren Säuregehalt. „Botrytis-Weine“ zeichnen sich hingegen durch eine höhere Komplexität im Aroma- und Geschmacksprofil aus. Welche der beiden Weinvarianten bevorzugt wird, hängt jedoch – wie so oft – von den individuellen Vorlieben ab.

Historie der edelsüßen Weine

In Deutschland gehen die verspätete Weinlese und die darauffolgende Entdeckung edelsüßer Weine auf das Jahr 1775 zurück. Der Fürstabt von Fulda, seines Zeichens Herrscher über das malerische Schloss Johannisberg im Rheingau, befahl den jährlichen Beginn der Lese stets durch einen schriftlichen Erlass. In besagtem Jahr verspätete sich der berittene Bote jedoch, sodass die Weinlese erst später als üblich beginnen konnte. Die Mönche kelterten die bereits verfaulten Trauben trotzdem und waren vom hervorragenden Ergebnis überrascht. Ein Standbild des Spätlesereiters ziert noch heute den Hof von Schloss Johannisberg.
Auch in den anderen Regionen der edelsüßen Weine gibt es solche Geschichten. In Ungarn verzögerte sich die Weinlese mutmaßlich wegen eines bevorstehenden Angriffs der Türken. Als die Gefahr gebannt war, befahl der Herrscher die verspätete Lese. Das besonders positive Ergebnis überraschte ihn. In Frankreich hingegen kam der Besitzer von Château d’Yquem 1847 verspätet von einer Russlandreise zurück. Trotz der einsetzenden Fäule wurde der Wein gelesen. Dieser Weinjahrgang gilt noch heute als legendär.

Eisweine

Eine weitere Besonderheit unter den edelsüßen Weinen sind die Eisweine. Hier werden die Trauben im gefrorenen Zustand gelesen. Die notwendige Temperatur liegt bei minus 7 °C. Diese werden meist – wenn überhaupt – erst im Dezember erreicht. Durch die niedrigen Temperaturen friert das im Traubensaft enthaltene Wasser aus und die übrigen Inhaltsstoffe konzentrieren sich auf. Das Mostgewicht steigt folglich an. Bekannt für Eisweine sind neben Deutschland auch Österreich und Kanada. Die künstliche Herstellung von Eisweinen durch eine entsprechende Kühlung der Trauben ist mittlerweile verboten – brachte jedoch auch nicht die gewünschten Qualitäten.


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